Tel.: (36)20-921-6851 Postadresse: H-2073 Tök Pf. 10. E-mail: zeitung@zsambekimedence.hu II. Jahrgang 3. Ausgabe 2005. März |
Sandra Titanilla Fuchs
Vertreibung aus Schambek
(abgekürzt – mit der Genehmigung der Authorin)
April 1946. Ein Monat im Frühling. Ein unauslöschliches Datum in der über 230jährigen deutschen Geschichte der Gemeinde Schambek. Sie hatte seit Beginn der Ansiedlung mit Kolonisten aus dem süddeutschen Raum im frühen 18. Jahrhundert so manche schweren Schicksaalsschläge zu erleiden. In den ersten Jahren mußte unter schwierigen Bedingungen eine neue Existenz gegründet, eine neue Heimat aufgebaut werden. Ein alter Spruch charakterisiert die Schwierigkeiten der Frühzeit so: “Die ersten hatten den Tod, die zweiten die Not, erst die dritten das Brot”. Pest und andere Seuchen rafften zu Beginn der Ansiedlung Hunderte unserer Vorfahren hinweg, aber auch noch im 19. Jahrhundert starben viele früh an Cholera und sonstigen Krankheiten; dennoch waren die Überlebenden stets guten Muts, zuversichtlich und voller Gottvertrauen. Man begann immer wieder von neuem. Aber was im April 1946 innerhalb weniger Tage geschah, ist sicher das tragischste Ereignis in der Geschichte unserer Heimatgemeinde. Man hat in dieser kurzen Zeit 3700 Deutsche oder “Schwaben”, wie man sie in Ungarn nannte, des Landes verwiesen.
Die Geschehnisse in Schambek:
Am 22. Dezember 1945 veröffentlichte Ministerpräsident Tildy die “Ungarische Umsiedlungverordnung” Nr.12.330/1945 M.E., deren § 1 keinen Zweifel aufkommen ließ, dass jeder ungarische Staatsbürger, der sich bei der Volkszählung 1940 zur deutschen Muttersprache und Nationalität bekannte, das Land werde verlassen müssen.
Am 4. Januar 1946 erließ der damalige kommunistische Innenminister Imre Nagy die Durchführungsverordnung Nr. 70.010/1946 B.M. zur obigen Umsiedlungsverordnung.
Am 20. März 1946 erschien am Aushängebrett des Gemeindehauses die Liste “A” aller “umsiedlungspflichtiger Personen” nach Namen und Hausnummern, unterschrieben von leitenden Notar János Szabó sowie vom Gemeinderichter Johann Komáromi. Eine weitere Liste (Liste C) enthielt die Namen der von Schambek abwesenden Auszusiedelnden. Beide Listen hatten eine sogenannte Aussiedlungskommission unter Vorsitz eines Ministerbeamten auf Grundlage der Volkszählung 1941 und den Überprüfungsergebnissen des Nationalkomitees ausgearbeitet.
Am Montag, dem 25. März, traf die Ministerialkommission unter der Leitung eines Ministerialkommissars im Dorf ein; sie wurde in der Mädchenschule untergebracht und begann am 26. März ihre Arbeit der Inventarisierung und Beaufsichtigung; sie hatte sogar das Gewicht des Gepäcks bei der Verladung “durch Schätzung” zu überwachen. Das gesamte Hab und Gut, bewegliches und unbewegliches Vermögen der Deutschen wurde vom Staat konfisziert. Tags darauf erschienen 180 Volkspolizisten, für die das Josephienum freigemacht werden mußte. Sie umzingelten das Dorf, das von jetzt an nur noch mit Sondergenehmigung verlassen werden durfte
Bald kam das große Abschiednehmen von allem, mit dem man so stark verwurzelt war: von Haus und Hof, den Toten auf den Friedhöfen, der Kirche, die vielen Generationen das Haus Gottes war, wo man in so mancher Not Hilfe, Trost und Stärkung fand und dem Herrn für seine Gnade in Gebeten, Gesängen und Opfern dankte. Man nahm Abschied von Verwandten, Freunden und Bekannten, die mit anderen Transporten fahren sollten. In vier Transporten ( auch für die Einteilung hingen Listen am Gemeindehaus aus) traten die Schambeker am 5., 7., 8., und 13. April den Weg in die Heimatlosigkeit an. Sie kamen in das Land ihrer Vorfahren, das durch den furchtbaren Zweiten Weltkrieg schwer darniederlag. Im Gottvertrauen, zähem Fleiß und ungebrochenem Lebenswillen ihren einst nach Ungarn gekommenen Vorfahren gleich, meisterten sie ihr Schicksal.
Die Bevölkerung von Schambek vor 1946: etwa 4200 Ungarndeutsche, davon wurden 3700 Schambeker von ihrer Heimat vertrieben. Das war 90% der Bevölkerung.
Die Vertreibung von mehr als 220 000 Deutschen ist für Ungarn heute eine historische Last. Erfreulicherweise versuchen in letzter Zeit immer mehr ungarische Historiker und Publizisten, aber auch Politiker, jeder auf seine Weise, diese Hypothek abzutragen, in dem erstere in wissenschaftlichen Untersuchungen die tragischen Geschehnisse nach dem Krieg aufspüren, um der Wahrheit naher zu kommen, letztere durch ihre wirklich beispielhafte Nationalitätenpolitik.
Quelle:Jelli,Martin Anton:Schambek / Zsámbék II. Stuttgart, 1988.
Beitrag der Ungarndeutschen zum Aufbau der gemeinsamen Heimat. Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen. Budapest,1996.
Zielbauer, Georg: Die Aussiedlung der Ungarndeutschen im Spiegel der Presse. Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen. Budapest, 1996.